Weltausstellung Milano – die große Partie
War die Weltausstellung 2014 in Helsinki für mich ein großes Abenteuer, so muss ich Milano im Nachhinein als die große Partie betiteln. Von langer Hand geplant und den Termin fest im Kalender verankert, freuten wir uns auf Bella Italia. Am Sonntag machten wir uns mit unserem neuen Caravan auf den Weg, diesmal alle zusammen: Fünf Filas samt Frauchen und Herrchen. Wir waren gespannt auf Mailand und darauf, wie meine Landsleute – die ja nicht gerade als organisatorische Perfektionisten bekannt sind – die EXPO und unsere Dog Show unter einen Hut bringen würden. Wir fuhren in die Nacht hinein und überlegten, ob wir bis Milano durchfahren oder doch lieber an einem Autohof mit unserm Caravan übernachten sollten. Sprinter und Wohnwagen bringen es zusammen auf ca. 17,50 m Länge, da kann
sich eine Anfahrt im Dunkeln auf vielleicht engen Wegen oder Stellplätzen manchmal als schwierig erweisen. Wir entschieden uns für den zwischen stop und gingen die restlichen 100 km bis zur Messe am nächsten Morgen entspannt an. Als wir auf das Messegelände fuhren, war es mit der Lockerheit vorbei.
Die Mailänder Messe ist eigentlich eine Stadt für sich. Jetzt wurde mir auch klar, warum man EXPO und FCI Weltausstellung auf einem Gelände planen konnte. Nachdem wir etliche Kreisel hinter uns gebracht hatten, näherten wir uns dem Stellplatz für Camper und beim „nähern“ sollte es vorläufig auch bleiben, da wir mit unserem 2,50 Meter breiten
Wohnwagen nicht durch die beschrankte Durchfahrt passten. Es standen zwar schon einige Camper dort, aber die waren alle deutlich unter 2,50 m, soweit ich das sehen konnte. Was tun? Weit und breit kein Wärter oder sonstig Befugter zu sehe! Allerdings hatte ich unten am Kreisel zwei Carabinieri gesehen – also runterlaufen und die beiden um Rat fragen. Sprachliche Barrieren hatte ich als Italienisch-Muttersprachler – anders als im vorigen Jahr in Helsinki – ja nicht zu befürchten. Die beiden Jungs waren gut drauf. Sie rieten mir, ich solle einfach drauf losfahren, danach wäre auch die Einfahrt etwas breiter. Ich bedankte mich für das nette Gespräch und rannte zurück zu unserem Gespann. Am Zaun entdeckten wir eine Hinweistafel mit einer Telefonnummer. Kaum hatten wir diese gewählt, kam auch schon der Platzwart – Franko sein Name – angedüst. Wir sollten innerhalb der nächsten acht Tage gute Freunde werden... Franko schloss mir ein Seitentor auf und wir konnten reinfahren. Ich erklärte ihm noch, dass die zu schmale Durchfahrt mit der zu erwartenden Aussteller-Schwemme noch Probleme bereiten würde, aber so recht konnte er sich wohl nicht vorstellen, was da auf ihn zukommen sollte .Wir durften noch ein paar Plätze für unsere Freunde neben uns reservieren und schon war er wieder weg, mit zwei Flaschen Bier unter dem Arm, mit denen ich mich bei ihm bedankt hatte.
So langsam füllte sich der Platz, der eigentlich nur für ca. 30 oder 40 Camper eingerichtet war. Der Rest bestand lediglich aus PKW-Parkplätzen. Wir waren gespannt, wie das mit der Stromversorgung funktionieren sollte .Franko und seine Gehilfen sind an diesem Tag noch zweimal bei mir vorbeigekommen mit der Bitte, für sie zu dolmetschen. Ein Holländer und ein Deutscher waren nämlich beim Befolgen des Rates der Carabinieri, die Einfahrt zu Verbreitern, stecken geblieben. Dienstag morgen machte ich mich auf den Weg die EXPO zu besuchen, die wol bekannteste internationale Ausstellung, die sich in diesem Jahr dem Motto „Feeding the Planet, Energy for life“ („ Den Planeten ernähren, Energie für das Leben“) verschrieben hatte. Jedes Land hatte prächtige Pavillons aufgebaut, die teilweise über mehrere Etagen gingen. Der Deutsche Pavillon war 4900 qm groß und hat die Summe von 40 Millionen Euro gekostet. Damit dürfte er sich, was die Kosten betrifft, im Mittelfeld bewegt haben. Die EXPO fand auf einem ca. 200 Hektar großen Messegelände statt und empfing vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 22,2 Millionen Besucher. Meine Zeit war knapp ich konnte mir nur wenige Pavillons länger anschauen, darunter natürlich der brasilianische.
Wieder zurück war der Platz schon recht voll. Auch die meisten unserer Freunde waren eingetroffen und freuten sich über die reservierten Plätze. So hatten wir quasi unsere eigene Wagenburg, was so manch anderem „ Ausländischen
Aussteller“ zwar nicht recht gefiel, aber mein Freund Franko erklärte mich in seiner Abwesenheit zum Chef auf dem Platz und somit hatten wir unsere Ruhe und ich mit der Beförderung jedermanns Anerkennung.
Ab jetzt war Party angesagt! Es wurde gekocht, gegrillt und schön was getrunken. Mittlerweile waren unsere Freunde aus Mexico auch eingetroffen, was die Stimmung nochmals hob. Alua Hernadez, ein mexikanischer Fila Züchter, kam in dem ganzen Treiben zu mir, mit weniger fröhlicher Miene und fragte, ob ich ihm helfen könne. Sein Koffer sei am Flughafen abhanden gekommen und darin befände sich natürlich alles Wichtige, vor allem seine Ausstellungsanzüge. Alua hat hervorragende Filas und ist zudem ein ebenso hervorragender Händler. Wir waren bereits in Paris Konkurrenten gewesen und ebenso in Helsinki, wo er im vergangenen Jahr den Weltsieger gestellt hatte. Ich wusste, dass es an beiden Tagen wieder eng zwischen uns zugehen würde. Kurz überlegte ich, wie der kleine Alua ohne Anzug im Ring aussehen würde, oder vielleicht in einen geborgten, der ihm wahrscheinlich viel zu groß sein würde.
Ich fand den Gedanken lustig, dass dadurch die Möglichkeiten anderer Händler steigen könnten, aber natürlich half ich ihm, so dass sein Koffer noch kurz vor Ausstellungsbeginn von einem Kurier zu unserem Stellplatz gebracht werden konnte. Mittwochs machten wir uns mit einigen unserer Freunde auf den Weg zu den Ausstellungshallen, um die Boxen schon mal aufzustellen und sich etwas umzuschauen. Das sah alles richtig gut aus. Sehr große Ringe in riesigen klimatisierten Hallen mit sehr kurzen Wegen dazwischen. Am späten Nachmittag fand noch eine Tagung des italienischen Mastino-Clubs statt. Es ging um Änderungen des Standard. Auf die Bitte hin, ob ich da nicht für einige Deutsche Mastino-Besitzer dolmetschen könne, sagte ich nicht nein, zumal ich die Rasse auch sehr interessant finde.
Wieder auf unserem Campingplatz ging das essen, trinken und feiern wieder weiter. Die Spanier neben uns bekamen von meinem italienischen Wein, ich von ihrem spanischen Sekt usw. Selbst eine Gruppe aus dem Osten Europas, die am Anfang etwas distanzierter war, taute langsam auf und luden mich zum Borschtsch essen ein. Ich denke, das habe ich Franko zu verdanken. Der Platz war jetzt komplett zu. Ich schätze, es waren so an die 500 Fahrzeuge, die alle mit Strom versorgt sein wollten. Das konnte nicht gutgehen! Die Lichter gingen aus und mit ihnen die Klimaanlagen. Ich rief Franko an und der kam gleich mit Elektrikern oder was auch immer. Sie fummelten eine Zeitlang an verschiedenen Stromkästen herum und am Ende lag mehr abgeklemmtes Stromkabel vor dem Kasten als in dem Kasten jemals drin gewesen ist. Aber: Wir hatten wieder Strom! Das Ganze wiederholte sich in den nächsten Tagen noch einige Male. Und wenn ich mal wieder irgendwo einen Stromausfall meldete, war seine erste Aussage: „ Hauptsache, Du hast welchen! “
Dann war es bereits Donnerstag und langsam wurde es ernst. An diesem Tag fanden die Club-Meisterschaften, die italienischen Raduni, statt, und alle waren da – Aussteller aus der ganzen Welt, ca. 50 gemeldete Filas. Corleone erwischte einen Top-Tag und setzte seine bis dahin sehr gute Saison fort. Er machte BOS – nicht zu fassen! Er stand somit vor dem Weltsieger von Helsinki und ich darf es vorwegnehmen: Er war auch vor dem am folgenden Tag zum Sieger von Milano gekürten Hund. Beim Lauf ums BOB verlor er gegen eine prächtige Hündin aus Brasilien. Zurück auf unserem Campingplatz könnt Ihr euch denken, was los war: trinken, essen und natürlich viel feiern.
Am Freitag dann Weltausstellung... Diesmal war für Corli in der Champion-Klasse Schluss. V2 – wieder alles richtig gemacht, der Junge! Aber die Richterin sah es heute leider anders. Was solls! Weltsieger wurde ein Rüde aus Brasilien, ein Rüde, den ich mir auch kaufen würde.Grund zur Freude gab es trotzdem! Zu feiern gab es gute Platzierungen von unseren Freunden, sogar Weltsiege von Bilo und Diana aus unserer Wagenburg.
Wieder auf unserem Campingplatz: Ihr wisst schon... Denn auch unsere spanischen Freunde hatten einen Weltsieg zu feiern. Vorher gingen Bilo und ich in die Stadt, um noch einige Sachen einzukaufen, damit es an nichts fehlen sollte. Gegen Samstag morgen lichtete sich der Parkplatz langsam. Das hatte zur Folge, dass ich ab und zu wieder zur Schranke musste zum Dolmetschen. Wir wollten eigentlich bis Sonntag bleiben, aber als die meisten unserer Freunde sich schon verabschiedet hatten, wollten wir auch nach Hause. Franko hat darauf bestanden, dass ich ihm unbedingt Bescheid sage, wann ich los ziehe.
Er rief daraufhin seinen Chef an, das der mit dem „Torpedo Lungo“(Langen Torpedo) nach Hause fährt. Der kam dann auch noch hochgefahren, um sich von uns zu verabschieden.
Sie öffneten für mich das Seitentor zur besseren Ausfahrt, obwohl ich mittlerweile problemlos durch die Schranken gepasst hätte. Zahlen musste ich meinen Freunden für die eine Woche Urlaub auf ihrem Stellplatz übrigens nichts. Als Dank ließ ich noch etwas Ballast in Form von saarländischem Flaschenbier zurück.
In der Schweiz machten wir etwas länger Rast an einer größeren Tankstelle und schauten verdutzt, als wir wieder zurück zu unserem Gespann kamen. Wir sahen unseren Wohnwagen kaum noch, so sehr war er von einer Reisegruppe Asiaten umzingelt, die munter ein Foto nach dem anderen machten, ohne sich vom Gebell unserer Hunde stören zu lassen Zuhause angekommen kochte meine Mama für uns alle Spaghetti, wie sie es oft nach Ausstellungen für uns tut, manchmal auch recht spät am Abend.
Andrea kam vor lauter Erzählen kaum zum Essen, so sehr war sie noch beeindruckt von der ganzen Woche. Von dieser Weltausstellung wird wieder viel im Gedächtnis hängen bleiben, selbst kleine Eindrücke und Erinnerungen am Rande, die man manchmal vielleicht auch schriftlich festhalten sollte, damit sie nicht irgendwann verloren gehen... Was noch bleibt ist die Erkenntnis, dass meine Frau anscheinend nicht nur sehr gut, sondern sogar vorzüglich kocht. Sie hat in unserer Wagenburg halb Europa samt Südamerika bekocht – allemal ein BOB wert! Unsere mexikanischen
Freunde schwärmen heute noch von ihren Kochkünsten! Nach dieser Woche Milano habe ich auch die Bestätigung, dass ein schlechter Dachdecker immer noch einen guten Dolmetscher abgibt.
Andrea und Antonio Asaro
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